Vierspurig durchs Allgäu

Nach 40 Jahren Streit und Planung ist die neue Bundesstraße 19 zwischen Kempten und Immenstadt für den Verkehr vierspurig freigegeben worden. Der Lückenschluss an dieser vielbefahrenen Strecke ins südliche Oberallgäu wurde erst möglich, als der Hochwasserschutz an der Iller die Aufschüttung eines riesigen Dammes erforderte.

Das verheerende Hochwasser 1999, das weite Teile des Oberallgäus bis fast nach Kempten unter Wasser gesetzt und Millionenschäden verursacht hatte, ebnete einem Straßenprojekt den Weg, das zuvor als unrealisierbar galt. 40 Jahre lang war die Notwendigkeit eines vierspurigen Ausbaus der B19 Kempten-Immenstadt, der täglich von zum Teil mehr als 20000 Fahrzeugen frequentierten Schlagader zwischen der Autobahn südlich von Kempten und den touristischen Zentren im Süden bis nach Oberstdorf, unstrittig. Zu oft standen Einheimische wie Urlauber im Stau auf dieser kleinen Landstraße, die eine der größten Ferienregionen Deutschlands mit dem Fernstraßennetz verbindet. Verbittert umkämpft war hingegen die Trassenführung – auf der West- oder auf der Ostseite der Iller. Der Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser bezeichnete den Streit als einen „Kreisverkehr von Endlosdiskussionen“. Das Nadelöhr zwischen Kempten und Immenstadt war längst zum Ärgernis für Wirtschaft und Tourismus, für Pendler und Feriengäste geworden, als das Jahrhundert-Hochwasser 1999 die allermeisten Argumente schlicht wegspülte.

Zur Bändigung der Iller musste auf der Ostseite nördlich von Immenstadt ein Damm her. Der Fluss wurde auf Höhe des Bosch-Werkes in Immenstadt-Seifen verlegt und das Schutzbauwerk mit einem Durchlass geplant. Zur Absenkung der Flutspitze lässt sich eine Schleuse öffnen, so dass sich ein rund sechs Millionen Kubikmeter fassendes Becken als Retensionsraum füllt. Die Flutwelle wird zum Schutz der flussabwärts liegenden Stadt Kempten in diesem landwirtschaftlich genutzten Wiesengelände „geparkt“ und später wieder abgelassen. Rund 100 Millionen Euro kostete die Umsetzung des Hochwasserschutzes an der Iller im Oberallgäu.

Die breite Zustimmung in der Bevölkerung für dieses Projekt kam auch den Straßenbauern zugute. Der Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser war die treibende Kraft, die Grundbesitzer und Behörden zusammenbrachte. Zusammen mit dem Wasserwirtschaftsamt Kempten, dessen damaliger Chef Hans-Joachim Weirather inzwischen Landrat im Unterallgäu ist, sei es gelungen, das Straßenbauprojekt auf den Damm zu verlegen und ohne jeden Rechtsstreit zu realisieren, freute sich Kaiser bei der gestrigen Eröffnung. Der Projektleiter des Wasserwirtschaftsamts, Armin Schaupp, hat bei seinem Werben um Unterstützung durch die Anlieger so viel Verständnis und Sympathien erworben, dass er inzwischen zum Bürgermeister von Immenstadt gewählt worden ist.

Zusätzlich zum Hochwasserschutz mit dem gewaltigen Damm hat der Straßenbau nochmals 100 Millionen Euro gekostet. In nur zehn Jahren seit dem Jahrhundert-Hochwasser wurde ein rund 14 Kilometer langes Straßenstück gebaut, das ein halbes Dutzend Ampeln und zwei ehemals beschrankte Bahnübergänge links liegen lässt. Beim gestrigen Lückenschluss, der Freigabe des letzten, 5,6 Kilometer langen Abschnitts nördlich von Immenstadt, reklamierte der Oberallgäuer Landrat, dass die Verkehrsprobleme im Allgäu damit noch nicht vollends gelöst seien. An die Adresse der Festgäste, allen voran Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Staatssekretärin Karin Roth vom Bundesverkehrsministerium, sagte Kaiser: „Bei der Bahn liegt noch vieles im Argen.“ Dies gelte vor allem auf den beiden Strecken München-Lindau über Memmingen und über Kempten.

Quelle: http://www.szon.de